Was tun gegen Traurigkeit und Verzweiflung?
Anregungen für ältere Menschen zum Umgang mit depressiven Verstimmungen
Liebe besonders schutzbedürftige Mitmenschen,
Sie sind über 60 bzw. 65 Jahre alt und zählen somit zu der Personengruppe, die laut Robert-Koch Institut ein höheres Risiko für einen schweren Covid-19 Krankheitsverlauf hat. Sie gehören somit zu der sogenannten Risikopopulation. Wie war es für Sie, als Sie vermutlich im März 2020 das erste Mal realisiert haben, dass Sie der besonders schutzbedürftigen Gruppe angehören? Welche Gefühle und Gedanken gingen damit einher?
So eine Lebensveränderung oder ein „Rollenwechsel“ – wie wir es psychologisch nennen – muss ja erstmal verarbeitet werden. Möglicherweise fühlten Sie sich zuvor sehr gesund, fit und lebendig – vielleicht jedoch auch schon vorher aufgrund von Krankheiten oder altersbedingten Einschränkungen nicht mehr ganz so agil. In jedem Fall kann so eine neue Rollenzuschreibung zunächst sehr verunsichernd und irritierend sein.
Sie mussten jedoch nicht nur diese neue Rolle verarbeiten, sondern waren und sind ja auch mit erheblichen Einschränkungen konfrontiert, die quasi über Nacht Ihren Alltag sicherlich radikal verändert haben. Abstand halten, Kontaktreduktion bis hin zu Kontaktverbot führen dazu, dass vieles, was Ihnen sonst wahrscheinlich hilft und tröstet, nicht oder nur eingeschränkt möglich ist: Ihre Kinder, Enkel und Freunde zu treffen, Besuch zu bekommen, in den Arm genommen und berührt zu werden, zum Singkreis, ins Theater oder zum Sport zu gehen, usw. Vielleicht leben Sie in einem Altenheim und fühlen sich nun aufgrund des Besuchsverbots besonders einsam und isoliert? Oder aber Sie leben mit Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner zusammen oder in einer WG und bemerken, dass durch das dauerhafte enge Zusammenleben es jetzt vermehrt zu Konflikten kommt?
All diese Veränderungen und neuen Herausforderungen erzeugen bei den meisten Menschen Stress und bei vielen traurige oder depressive Verstimmungen: das sind normale menschliche Reaktionen auf diese Krise. Wenn Sie sich in diesen belasteten Tagen ab und zu oder auch häufiger
- traurig oder einsam fühlen,
- keine Lust auf Dinge verspüren, die Ihnen bisher Freude bereitet haben, sich also lustlos-gedämpft fühlen, oder
- sich schwer motivieren und „aufraffen“ können, etwas zu tun,
dann leiden Sie wahrscheinlich auch unter zumindest leichten depressiven Verstimmungen und sind auf dieser Seite genau richtig.
Vielleicht kennen Sie solch depressive Verstimmungen auch schon von der Zeit vor Corona oder leiden bereits schon länger an einer Depression? Das wäre gar nicht so überraschend, da Depressionen bei Erwachsenen bis ins hohe Alter sehr verbreitet sind (siehe Infokasten unten zur „Volkskrankheit“ Depression). In dem Fall können die mit dem Corona-Virus verbundenen Ängste und Einschränkungen eine besondere Herausforderung darstellen.
Die gute Nachricht dabei ist: Wir sind depressiven Verstimmungen nicht machtlos ausgeliefert, sondern können selbst etwas dagegen tun! Im Folgenden gebe ich Ihnen dazu Anregungen. Diese stammen aus Psychotherapien, welche sich in Studien als wirksam erwiesen haben. Dennoch werden Ihnen nicht alle Empfehlungen gleichermaßen gut helfen. Suchen Sie sich bitte die heraus, die zu Ihren Lebensumständen und zu Ihrem Gesundheitszustand passen! Die Anregungen sind in vier Hauptgruppen gegliedert:
1) Positive Beziehungen und Hilfe trotz Distanz, 2) Tagestruktur durch positive Aktivitäten, 3) Vermeidung von nicht hilfreichen Aktivitäten, 4) Konkrete Übungen für Ihren Alltag.
1. Positive Beziehungen und Hilfe trotz Distanz
Wir sind soziale Wesen. Menschlich verbindende Nähe einschließlich Berührungen gehören zu unseren Grundbedürfnissen. Dass derzeit wichtige und geliebte Menschen Sie nicht besuchen dürfen, entspricht dem nicht. Das Gefühl der Einsamkeit kann depressive Verstimmung auslösen bzw. aufrechterhalten. Daher kommt es nun für Sie darauf an, emotionale Nähe trotz sozialer Distanz herzustellen. Versuchen Sie trotz Kontaktverbot Ihre Liebsten möglichst oft zu sprechen, am besten und wenn möglich durch Videoanrufe, da diese das Gefühl von Nähe verstärken. Versuchen Sie, dann auch über Ihre Traurigkeit und die Sorgen zu sprechen, denn geteiltes Leid ist ja bekanntlich halbes Leid. Ihre Kinder, Freunde, Nachbarn oder Bekanntehaben hoffentlichein offenes Ohr dafür. Auch der Austausch über den praktischen Umgang mit der Krise kann sehr entlastend sein. Wenn Sie Enkel haben, ist es vermutlich besonders schmerzhaft, die kleinen oder größeren heranwachsenden Lieblinge nun nicht mehr zu sehen. Auch hier können Telefonate und Videogespräche oder aktuelle Fotos und Filme zumindest ein wenig entschädigen!
Da Beziehungen - wie beschrieben - so ausgesprochen wichtig sind, können Konflikte mit nahen Menschen besonders belastend sein. Das Einräumen von Rückzugsmöglichkeiten für jede Person und das regelmäßige Abhalten einer „Paar- oder WG-Konferenz“ mag helfen, diesen Konflikten vorzubeugen. Wenn Sie mit Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner oder WG- bzw. Altenheim-MitbewohnerInnen jedoch in engen räumlichen Verhältnissen zusammenleben ohne viel Ausweichmöglichkeiten können Konflikte, denen Sie vielleicht zuvor besser aus dem Weg gehen konnten, nun ungehindert ausbrechen. Das beschreiben viele Menschen. Versuchen Sie dann aktiv, den Konflikt anzugehen. Hilfreich ist, Ihr Bedürfnis oder das Problem auf eine ruhige Art anzusprechen, Ihre Gefühle zu benennen und Wünsche zu äußern. Vermeiden Sie dabei Vorwürfe, die sogenannten ‚Du-Botschaften‘. Wenn Sie merken, dass Sie Ihren Ärger nicht kontrollieren können, verlassen Sie lieber zunächst die Situation, bevor Sie zu laut werden oder aggressiv. Auf dieser Seite finden Sie unter Punkt 4 Übungen, die dabei helfen, mit intensiven Emotionen gelassener und achtsamer umzugehen. Weitere Anregungen zum Umgang mit Konflikten finden Sie in diesem Video, in dem ein typischer Lagerkollerkonflikt in häuslicher Isolation dargestellt wird. In diesem zweiten Video können Sie sehen, wie dieser positiv für beide Konfliktpartner geklärt werden kann.
Wie bereits festgestellt, gehören Sie nun zu den besonders schutzbedürftigen Personen. Daher ist es wichtig, dass Sie Hilfe annehmen. Sie haben sicherlich Ihr bisheriges Leben viel für andere gemacht – wenn Sie Kinder haben, wissen die das am besten. Nun sind Sie an der Reihe: Lassen Sie die Kinder für sich einkaufen. Wenn Sie keine (nah wohnenden) Kinder haben, haben sich ja in vielen Orten zurzeit erfreulicher Weise Nachbarschaftshilfen organisiert – nutzen Sie diese Welle der Solidarität mit gegenseitiger Unterstützung: Sie haben den Schutz verdient!
Aus der Forschung wissen wir, dass sich Unterstützung nicht nur positiv auf denjenigen auswirkt, der unterstützt wird. Auch bei den Helfenden stellen sich schnell positive Gefühle ein, die u.a. daraus resultieren, dass diese etwas Sinnvolles tun. Übrigens tun Sie selbst ja schon etwas sehr Sinnvolles, wenn Sie soziale Distanz einhalten: Sie zeigen dadurch große soziale Verantwortung und retten Menschenleben. Machen Sie sich das immer wieder klar! Zudem können Sie überlegen, wem Sie noch helfen könnten. Vielleicht erinnern Sie sich an Freunde, Bekannte oder entfernte Familienmitglieder, die Sie lange nicht gesehen haben, die alleine leben oder Vorerkrankungen haben. Gerade für die ist es nun besonders wichtig, sich in dieser Situation nicht alleingelassen zu fühlen. Ein Anruf, eine Nachricht oder ein Brief können viel bewirken und die Botschaft „Du bist nicht allein“ vermitteln. Gerade zusammen können wir so viel Gutes tun und auch das Gefühl bekommen, dass wir der Krise nicht hilflos ausgeliefert sind.
2. Tagesstruktur durch positive Aktivitäten
Schaffen Sie sich eine Tagesstruktur mit positiven Aktivitäten!
In diesen ungewöhnlichen Zeiten ohne Verabredungen und Termine ist eine Tagesstruktur mit festen Zeiten für Schlaf und Essen besonders wichtig. Um die innere Stabilität zu bewahren, sollten Sie besonders darauf achten, den Alltag mit Aktivitäten und Gewohnheiten auszugestalten, die zum körperlichen und seelischen Wohlbefinden beitragen können: Das ist einfach gesagt, aber schwer getan – vor allem mit depressiver Stimmung. Daher finden Sie anbei ein paar Vorschläge:
Gegen Traurigkeit und Depression hilft Bewegung! Das ist durch Studien nachweislich erwiesen. Das Spazierengehen, auch am Rollator, Wandern oder Radfahren draußen in der Natur und der schönen Frühlingssonne sind ja weiterhin erlaubt, gerne auch zu zweit! Beobachten Sie dabei achtsam die Natur mit all den aufblühenden Pflanzen, die ja symbolisch für Leben und Hoffnung stehen. Wenn Sie einen Garten oder Balkon haben, bietet sich auch die „Gartenarbeit“ an. Zudem gehen aktivierende Bewegungen wie Gymnastik oder Yoga auch Zuhause – es gibt auch sehr motivierende Apps, die helfen, den „inneren Schweinehund“ zu überwinden.
Unsere Lieblings(hör)Bücher oder Lieblingsfilme sind ja oft wie vertraute Wegbegleiter durch das Leben, weshalb es sich anbietet, solch ein (Hör)Buch nun erneut zu lesen, anzuhören oder einen Film anzuschauen. Natürlich können auch neue (Hör)Bücher oder Filme Sie stimulieren und auf andere Gedanken bringen. Derzeit kann man (Hör)Bücher oder Filme auch im Internet bestellen oder ausleihen. Falls Sie nicht wissen wie das geht: Holen Sie sich Hilfe!
Oder aber Sie werden noch aktiver und schreiben einfach selbst am Tag alles auf, was Sie belastet und was Sie erfreut – wie ein Tagebuch nur für sich oder auch für andere (beispielsweise Ihre Kinder, Enkel oder beste Freundin/ besten Freund): das ist dann Ihre persönliche „Schreibtherapie“, die nachweislich auch helfen kann. Oder werden Sie kreativ und schreiben Geschichten oder Gedichte. Vielleicht schlummert in Ihnen ja ein Schriftsteller (vgl. auch Projekte)!
Malen, Zeichnen, Handarbeit – es gibt vielfältige Möglichkeiten, kreativ und aktiv zu werden. Vielleicht mögen Sie für Ihre Enkel oder andere Kinder etwas basteln? Wenn Sie nähen können oder es lernen möchten, dann haben Sie jetzt ja das perfekte Ziel: nähen Sie doch Mundschutz-Masken aus Ihren Lieblingsstoffen. Anleitungen für Masken gibt es überall im Internet!
Vermutlich haben Sie schon erlebt, dass Musik trösten kann. Probieren Sie es ansonsten aus: Hören Sie Ihre Lieblingsmusik, wenn Sie traurig sind – vielleicht können Sie mal wieder eine lang nicht mehr gehörte Platte auflegen? Vielleicht die Tanzmusik der 60er Jahre und dazu mitsingen oder sogar das Tanzbein schwingen – wenn möglich? Wunderbar ist es natürlich auch, wenn Sie selbst gerne singen oder ein Instrument spielen. Falls Sie vorher in einem Orchester, einer Band gespielt oder in einem Chor gesungen haben, dann geht das (mit Einschränkungen) auch weiter über ein Videokonferenzsystem. Hier sehen Sie ein Beispiel: https://www.youtube.com/watch?v=uP0WL1HlyY4 .
Vielleicht gibt es bei Ihnen in der Stadt oder Ihrem Wohnort auch die Balkonkonzerte: singen oder spielen Sie dort mit. Das Gefühl der Verbundenheit ist ein starker Gegner der Traurigkeit!
Möglicherweise gibt es Projekte, welche Sie schon seit Langem angehen wollten, aber weder die Muße noch die Zeit hatten (wie zum Beispiel Fotos, Briefe oder andere Unterlagen zu sortieren, Kleidung auszusortieren, ein Buch zu schreiben, etc.). Jetzt wäre die Zeit dafür und die Muße mag sich spätestens nach dem Beginn auch einstellen. Vielleicht eignet sich diese besondere Zeit des „Stillstands“ insbesondere dafür, nun Erinnerungen wieder lebendig werden zu lassen – unterstützt durch Fotos, Briefe und Gespräche.
3. Vermeidung von nicht hilfreichen Aktivitäten
Wenn Sie mehr Zeit für sich haben als vor der Pandemie, mag es verlockend sein, sich nun durch das Fernsehen berieseln zu lassen oder das ein oder andere Computerspiel zu spielen. Versuchen Sie jedoch dabei, auf die Dosis zu achten, also nicht übertreiben: das passive Zuschauen und Computerspiele können die Traurigkeit oft nicht lange vertreiben. Einige Menschen informieren sich jetzt auch fortwährend im Fernsehen oder anderen Medien über den aktuellen Stand zum Coronavirus. Allerdings geistern zurzeit leider viele Falschmeldungen durch die Medien, die unnötig verunsichern und verängstigen. Nutzen Sie deswegen nur vertrauenswürdige Informationsquellen (wie etwa Hinweise des Bundesgesundheitsministeriums, des Robert Koch-Instituts oder der Weltgesundheitsorganisation) und versuchen Sie, sich regelmäßig und wohl dosiert zu informieren (also z.B. nur ein oder zwei Mal am Tag).
Schlafhygiene ist nun besonders wichtig! Ein guter und regelmäßiger Schlaf hilft uns und unserem Körper, sich zu erholen – und verringert auch die depressive Stimmung. Wenn Sie derzeit unter Schlafstörungen leiden (z.B. nicht einschlafen können, nachts oft wachliegen oder sehr früh morgens erwachen oder wirre Träume oder Albträume erleben), kann das auch Teil der depressiven Verstimmung sein. Daher ganz wichtig: Versuchen Sie sich tagsüber viel zu bewegen, damit Sie abends müde sind. Vor dem Einschlafen sollten Sie etwas besonders Schönes und Beruhigendes machen (z.B. ein gutes Buch lesen) und dann zu derselben Zeit ins Bett gehen wie vor der Pandemie. Sehr wichtig ist es allerdings auch, morgens nicht länger im Bett liegen zu bleiben. Durch Studien wissen wir, dass eine längere Liegedauer und auch längerer Schlaf nicht zu einem Abbau, sondern einer Zunahme der depressiven Stimmung führen kann. Durch die App Moodpath können Sie sich kostenlos Schlafhilfen anhören oder sich über Schlaf und hilfreiche Entspannungstechniken informieren (https://mymoodpath.com/de/).
Kochen Sie selbst, am besten gesunde und ausgewogene Mahlzeiten, denn „Du bist, was Du isst“! Regelmäßig und gesund zu essen, ist Gold wert. Versuchen Sie sich also nicht nur durch Fastfood, Chips oder Süßigkeiten durch den Tag zu bringen. Zudem sollten Sie auf Ihren Alkoholkonsum achten: Ein Bier oder Glas Wein am Abend kann sich jeder ab und zu genussvoll gönnen. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen empfiehlt jedoch, an mindestens zwei Tagen pro Woche keinen Alkohol zu trinken. Frauen sollten zudem nicht mehr als 12 Gramm Alkohol pro Tag trinken, also nicht mehr als ein kleines Glas Wein (0,125 Liter). Dies entspricht über eine Woche verteilt bei zwei alkoholfreien Tagen 60 Gramm. Männer sollten nicht mehr als 24 Gramm Alkohol pro Tag trinken, also zwei kleine Gläser Bier (0,6 Liter), was über eine Woche verteilt bei zwei alkoholfreien Tagen 120 Gramm entspricht.
4. Konkrete Übungen für Ihren Alltag
Traurigkeit ist ein Gefühl, was zum menschlichen Leben dazu gehört, insbesondere in solchen Krisenzeiten. Daher sollten wir uns eingestehen, dass es völlig normal ist, dass uns diese Situation traurig macht und die Gefühle zulassen. Zu weinen und den ganzen Kummer mal raus zu lassen, tut oft auch gut – kennen Sie das auch? Unterdrücken lassen sich negative Gefühle auch nicht lange, wie Sie in diesem Video anschaulich sehen können. Auch finden Sie hier weitere Anregungen, wie es gelingt, die Traurigkeit zuzulassen und zu akzeptieren – und dennoch entgegen der Traurigkeit und anderen negativen Gefühlen zu handeln. In diesem Video finden Sie hilfreiche Anregungen dazu.
Entspannung hilft gegen Stress. Achtsamkeit ist nötig, um Ihre innere Ruhe zu finden. Beides ist nachweislich wirksam gegen Traurigkeit und Sorgen. Was Entspannung ist, können Sie sich sicher denken. Aber was meinen wir mit Achtsamkeit? Achtsamkeit bedeutet, dass wir ganz bewusst den jetzigen Augenblick erleben, ohne über die Vergangenheit nachzudenken oder uns Sorgen um die Zukunft zu machen. Das hilft gegen die depressive Stimmung und das Gute ist: Sie können Achtsamkeit trainieren! Hier finden Sie beispielsweise eine Achtsamkeitsübung mit einem Ei und weitere Achtsamkeitsübungen. Auch sind in die App Moodpath weitere Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen integriert (https://mymoodpath.com/de/).
Wenn Sie merken, dass Sie sich viele Sorgen machen und immer wieder über dieselben Probleme nachdenken müssen, ohne dabei irgendwie weiter zu kommen, dann nennen wir das Grübeln. Dieses Grübeln kostet Ihnen und Ihrem Körper viel Anstrengung und bringt meist gar nichts. Es hilft, einen Stuhl als Ihren Grübelstuhl zu bestimmen, sich maximal 5 Minuten pro Tag darauf zu setzen und zu grübeln. Wenn Ihr vorher gestellter Wecker klingelt, stehen Sie auf und machen Sie etwas Schönes. Sie werden vermutlich bemerken, dass Ihr Grübeln mit der Zeit abnimmt. Bei der App Moodpath finden Sie weitere Übungen, um Ihr Grübeln zu unterbrechen (https://mymoodpath.com/de/).
Fühlen Sie sich manchmal hilflos und denken, dass es Ihnen nie wirklich gut geht oder Sie das zumindest nicht selbst beeinflussen können? Dann ist folgende Übung für Sie genau richtig: Achten Sie zunächst darauf, wann Sie im Alltag Phasen oder zumindest kurze Augenblicke des Wohlbefindens erleben (z.B. Ich schaue mir alte Fotoalben von meiner Hochzeit an und spüre ein wenig von dem damaligen Glück). Sie können diese beispielsweise in einem Wohlbefinden-Tagebuch festhalten und dabei dann auch überprüfen, durch welche Gedanken (z.B. Jetzt bin ich ganz allein) oder Verhaltensweisen (Ich lege mich aufs Bett) diese unterbrochen werden. Versuchen Sie diesen Gedanken und Verhaltensweisen dann etwas entgegen zu setzen (z.B. Gedanke: „Nein, ich fühle mich nur allein, aber ich bin es nicht. Meine Kinder und Enkel denken liebevoll an mich. Und meine verstorbene Frau trage ich in meinem Herzen“). Positive Gefühle sind nämlich zum Glück nicht nur das Ergebnis äußerer Einflüsse, sondern Sie selbst können auf diese einwirken. Das ist insbesondere in dieser Corona-Krisen-Zeit so wichtig. Weitere Anregungen und Arbeitsmaterialien dazu finden Sie in diesem Video.
Hier kommt eine letzte Anregung zur „Hilfe zur Selbsthilfe“. Ich möchte Sie motivieren, Ihre Situation zu analysieren: Schreiben Sie auf, auf was Sie derzeit verzichten müssen und überlegen Sie, wie Sie diese Verzichte gegebenenfalls doch ausgleichen können (z.B. Ich darf keinen Besuch bekommen – Immerhin kann ich Videoanrufe nutzen). Dann können Sie jedoch auch schauen, was Positives in Ihrem Leben gleich geblieben ist (z.B. Mein erfülltes Leben, meine Leidenschaft, zu lesen, meine Familie/Freunde, etc.) und schauen Sie, wie Sie das Gleichgebliebene besser nutzen können, so dass es Ihr Wohlbefinden verbessert. Schließlich – und das ist womöglich der schwierigste aber wichtigste Schritt – schauen Sie, was nun auch eine Chance sein könnte (z.B. Mich darauf besinnen, was wirklich zählt im Leben). Die gesamte Welt steht still. Was ist die Chance für die Gesellschaft – und vor allem für Sie ganz persönlich? Das Momentum zur Veränderung ist da. Wann, wenn nicht jetzt? Jetzt können Sie den Rollenwechsel annehmen, sich in eine neue Rolle einleben und versuchen, sie so positiv wie möglich zu gestalten.
Schließlich dürfen Sie sich sicher sein: Dies ist ein vorübergehender Zustand. Eines Tages werden die Sicherheitsmaßnahmen gelockert und irgendwann wird die Krise überwunden sein. Dann werden Sie wieder all das machen, auf was Sie jetzt verzichten müssen, zum Beispiel Ihre Kinder / Enkel / Freunde sehen und in den Arm schließen können! Stellen Sie sich genau vor, wie das sein wird: Wo wird das sein? Was werden Sie machen? Wird die Sonne scheinen? Wie wird es Ihnen dann gehen? - Müssen Sie dabei lächeln? Auch diese hoffnungsvollen Gedanken helfen gegen die depressive Verstimmung, denn - wie der Stressforscher Mazda Adli so passend formuliert - Hoffnung ist die echte Währung für unsere Psyche.
Wichtig: Wenn Sie bemerken, dass das alles Ihnen nicht hilft und Sie immer nur noch trauriger werden und auch lebensmüde Gedanken auftauchen, dann leiden Sie vermutlich unter einer Depression und sollten sich unbedingt professionelle Hilfe suchen. Die gute Nachricht ist jedoch, dass sich Depressionen gut behandeln lassen, vor allem, wenn die Betroffenen sich früh professionelle Hilfe suchen. Das bedeutet für Sie: Suchen Sie sich jetzt Hilfe. Hausärzte, Ambulanzen der Universitäten oder Kliniken, psychosoziale Beratungsstellen in Ihrer Stadt oder Region sind hier geeignete erste Anlaufstellen. Für eine fachgerechte Diagnostik und eine spezialisierte Behandlung ausgeprägter und anhaltender psychischer Beschwerden sind psychologische oder ärztliche Psychotherapeuten oder Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie die richtigen Ansprechpartner. Sie alle haben angesichts der aktuellen Situation derzeit die Angebote an Telefon- und Video-Beratung ausgebaut und sind für Betroffene da – in Greifswald zum Beispiel auch das Zentrum für Psychologische Psychotherapie: Unsere Türen sind weit offen.
Infokasten: Depression – eine Volkskrankheit
Depressionen sind gekennzeichnet durch verschiedene Symptome und Verläufe und können alle Altersgruppen betreffen. Leichte depressive Verstimmungen bis hin zu schweren depressiven Störungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen im Erwachsenenalter, weshalb die Depression als Volkskrankheit bezeichnet wird. Jede vierte Frau und jeder achte Mann erkranken im Laufe des Lebens an einer Depression. Depressionen können sehr belastend sein für Betroffene und deren Angehörige und Freunde. Leider sind Depressionen auch die häufigste Ursache für Suizide.
Die positive Nachricht: Depressionen sind gute behandelbare Störungen, vor allem wenn sich Betroffene rechtzeitig professionelle Hilfe holen. Als wirksam haben sich Psychotherapien und Antidepressiva erwiesen, wobei die Wirkung von Psychotherapien länger andauert. Bei einer schweren oder chronischen Depression sollte die Psychotherapie mit Medikamenten kombiniert werden.
Hier finden Sie einen Selbsttest, wobei die Ergebnisse lediglich Hinweise liefern, jedoch eine professionelle Diagnose nicht ersetzen: https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/selbsttest-offline
Anbei finden Sie weitere Links zu Hilfsangeboten für Menschen, die unter depressiven Verstimmungen oder Depressionen leiden
Moodpath
Wenn es Sie interessiert, können Sie mehr über Depression z.B. durch die kostenfreie App Moodpath erfahren (https://mymoodpath.com/de/). Hier können Sie übrigens auch über 2 Wochen Ihre Stimmung durch ein Stimmungstagebuch ‚tracken‘ – d.h. verfolgen, um besser herauszufinden, ob Ihre Verstimmung behandlungsbedürftig ist oder nicht.
Psychologische Beratung in Corona-Krisenzeiten
Das anonyme und kostenlose Angebot des Berufsverbandes der Psychologen/innen (BDP s.V.) ist seit dem 24.03.2020 täglich von 08:00 bis 20:00 Uhr geschaltet.
Corona-Hotline-Nummer (kostenfrei)
0800 777 22 44
Mehr dazu auf der Homepage des BDP.
Telefonseelsorge
Täglich 24 Std. erreichbar (kostenfrei)
0800/111 0 111 oder 0800/111 0 222
Diskussionsforum Depression
Das Online-Diskussionsforum Depression ist ein fachlich moderiertes Forum zum Erfahrungsaustausch.
Zum Forum: https://www.diskussionsforum-depression.de
Deutsche Depressionshilfe auf Facebook
Zur Facebookseite: https://www.facebook.com/DeutscheDepressionshilfe
iFightDepression Online-Programm der Deutschen Depressionshilfe
Das Online-Programm iFightDepression ist ein Internetbasiertes, kosten-freies Selbstmanagement-Programm für Menschen mit leichteren Depressionsformen ab 15 Jahren. Es unterstützt Betroffene beim eigenständigen Umgang mit den Symptomen einer Depression und gibt praktische Hinweise für den Alltag. Durch Übungen lernen sie zum Beispiel, den Tag zu strukturieren und negative Gedankenkreise zu durchbrechen.
Normalerweise setzt iFightDepression eine Begleitung durch einen Arzt oder Psychologischen Psychotherapeuten voraus – denn Studien belegen, dass Online-Programme dann besonders wirksam sind. Da viele Patienten durch das Corona-Virus zuhause bleiben müssen und Hausärzte an ihre Belastungsgrenzen stoßen, ist das Programm nun bis Ende Juni auch ohne Begleitung zugänglich.
Email-Adresse:
ifightdepression@deutsche-depressionshilfe.de
Zur Homepage: https://www.deutsche-depressionshilfe.de/unsere-angebote/fuer-betroffene-und-angehoerige/ifightdepression-tool
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